Untersuchungen zur Historie des Anwesens Karlsruher Straße 40 (bis 1929 Nr. 37)

Das Haus am alten Speyerer Weg, einem hiesigen Stückchen einer uralten Handels- und Heerstraße, gehört zwar nicht zu dem Richtung Innenstadt benachbarten kleinen aber feinen Bestand von Wohnobjekten aus der Gründerzeit, hat aber in zwar bescheidener, aber deutlicher Weise deren Stil aufgenommen. Das Grundstück hat die Flusstück-Nr. 5224 und trägt damit die ursprüngliche Bezeichnung für knapp die Hälfte alle Anwesen, die heute das Geviert Karlsruher-, Werder-, Zähringer- und Bahnhofstraße bilden. Diese Fläche wurde vor der Bebauung als Gärtnerei genutzt, welche von Johann Adam Scheuermann und seiner Ehefrau Anna Maria geb. Reinhardt am  16.03.1900 erworben wurde. In unterschiedlicher Zusammensetzung verblieb das Anwesen im Eigentum von Familienangehörigen, wobei schon ab etwa 1905 Grundstücksteile weggemessen und als Bauplätze verkauft wurden.

Das in dieser Untersuchung beschriebene Anwesen erwarb am 04.03.1927 in der seinerzeitigen Größe von 648 qm der Maurer Georg Weiss aus Hockenheim, ließ es in zwei Bauplätze teilen, wovon 310 qm auf Lgb.Nr. 5224 entfallen und bebaute sie in eigener Regie mit einem mehrstöckigen Doppelhaus. Der Keller einschließlich Boden und Decke wurde aus Beton gefertigt,  alle oberirdischen Wände aus Ziegelsteinen gemauert; die Zwischendecken bestehen aus Holzbalken die beidseits mit Matten belegt, zwischen die Stroh gestopft wurde.

Aus Geldmangel wegen der herrschenden Wirtschaftskrise konnte Georg Weiss zunächst nur die hier beschriebene Haushälfte einigermaßen fertigstellen und mußte dort mit seiner Familie den eiskalten Winter 1928/29 in teilweise unbeheizten Räumen verbringen. Mit seinem letzten Geld erledigte er dort sobald wie möglich die Restarbeiten, denn er hatte glücklicherweise mit den Eheleuten Paul Franz Josef Rychel (geboren in Weeze-Wemb, Kreis Geldern) und seiner Ehefrau Helena geb. Feiden (geboren in Zell an der Mosel) Kaufinteressenten gefunden. Der notarielle Vertrag wurde am 12. Juli 1929 abgeschlossen und Georg Weiss hatte endlich das Geld, die andere Haushälfte fertigzustellen und dorthin umzuziehen. Das finanziell sehr riskante Vorhaben hatte sich letztlich gelohnt, auch wenn es dem Georg Weiss sicherlich so manche schlaflose Nacht beschert hatte.

Helena Rychel verstarb im Jahr 1934 und einige Zeit danach heiratete der Witwer seine zweite Frau, die Elsa Elisabetha geb. Haas. Als auch er im Oktober 1961 aus dem Leben scheiden mußte, wurde seine Witwe zusammen mit der gemeinsamen Tochter Christa Pfeifle nächste Eigentümer des Anwesens.
Der erste größere Umbau im Jahr 1948 war wohl dem Hunger geschuldet, denn der im Hof stehende gemauerte Schopfen wurde in einen Stall umgewandelt, in welchem einige Jahre lang Kühe, Ziegen, Schweine und Hühner gehalten wurden. Im Jahr 1969 ließ man im Hof durch Maurermeister Sturm aus Reilingen einen Anbau errichten, der zu Wohnzwecken genutzt wurde und in den beiden Folgejahren wurden durch den gleichen Handwerker größere Modernisierungsarbeiten  durchgeführt, indem die im Hof ans Haus angebaute Waschküche mit aufliegendem Balkon aufgestockt und in die neuen Räume ein  Bad samt WC eingebaut wurde. Damit war für die Familie von Christa Pfeifle ausreichend Wohnraum geschaffen.

Nach dem Wegzug von Frau Pfeifle nach Freiburg wurde Frau Rychel die Pflege des von ihr allein bewohnten Hauses altersbedingt zu viel und als die in Freiburg als Lehrerin tätige Tochter und deren Mann beschlossen, dort ein Haus zu bauen, bot sich ihr die Möglichkeit, ebenfalls dort einzuziehen.  Man entschloss sich, das hiesige Anwesen zu verkaufen und schaltete einen regional sehr bekannten und aktiven Makler ein.

An diesen hatte sich auch das Ehepaar Franz Späth (geb. in Lahr) und Gisela geb. Flicker (geb. in Gütersloh/Westfalen) gewandt, die im Jahr 1973 aus beruflichen  Gründen in Hockenheim ansässig  waren, aber unerwartet schon 1976 aus einem gemieteten Objekt ausziehen mussten, da es verkauft wurden.  Sie waren hierher gezogen , weil die Arbeitsstelle von Franz Späth nach Rheinau verlegt worden war und Hockenheim wegen der günstigen Verkehrslage und der guten schulischen Versorgung unabdingbare Voraussetzungen für eine gute Wohnlage erfüllte. Zunächst hatten Sie ein Objekt angemietet, suchten aber bald nach einem eigenen Haus, um ausreichend Platz für Wohnung,   Atelier und Galerie der als Malerin sehr aktiven Ehefrau schaffen zu können. Gisela Späth hatte Pädagogik mit Schwerpunkt Kunst studiert und war zunächst als Lehrerin tätig. Als die Familie in der Kurpfalz ansässig geworden war, studierte sie an der Fachhochschule für Gestaltung in Mannheim und begann ihre freiberufliche Tätigkeit als Malerin.  Als der Makler die Eheleute Späth erstmals in das hier beschriebene Haus führte, wussten sie gleich:  D a s  ist es, auch wenn wir Einiges ändern müssen !

Man wurde sich handelseinig und schloss im Dezember 1976 den notariellen Kaufvertrag ab. Viele Jahre war es recht still gewesen in dem großen Haus, jetzt aber kam junges Leben und neuer Schwung hinein. Dafür sorgten insbesondere die beiden kleinen Töchter der Familie und die künstlerische Tätigkeit der Ehefrau. Schon vor dem Einzug wurden erste Modernisierungsarbeiten veranlasst, die zentrale Ölversorgung durch eine moderne Erdgasheizung ersetzt und elektrische Leitungen neu verlegt. Im Jahr 1979 wurde die auf der Rückseite des Hauses vorhandene Dachterrasse zum Haus hin vergrößert, gestaltet und mit einer Überdachung versehen und drei Jahre später eine Überdachung für Einfahrt und Hof geschaffen. Es folgte eine Zeit des Nachdenkens sowie der konkreten Planung mit dem Ziel grundlegender baulicher Veränderungen. Deren Realisierung begann im Jahr 1985 und ermöglichte letztlich folgende Nutzung:

EG: Bibliothek/Arbeitszimmer; Atelier/Galerie; im Anbau: 2 Kinderzimmer; Bad. (vorher:  Küche; 2 Kinderzimmer; im Anbau: Atelier/Galerie)   - 1.OG: ein großer Raum für Küche, Esszimmer und Wohnzimmer.  (vorher: Wohnzimmer; Schlafzimmer; Bad) - 2.OG: Schlafzimmer; Bad.  (vorher: nicht ausgebautes DG.) . Ganz „nebenbei“ entstand im 2. OG auch eine große Dachgaube zum Garten hin sowie ein Türmchen auf dem Treppenhaus.

Seither ist das Haus auch zu einem künstlerisches Zentrum von Hockenheim geworden und hat damit eine Entwicklung genommen, die sich sein Erbauer Georg Weiss sicherlich nicht im Traum vorstellen konnte.

Verfasser:  Horst Eichhorn in enger Zusammenarbeit mit den Eheleuten Späth, Eigentümer des Objekts.
Stand Mai 2014